Reportage | Markus Rohrhofer, 19. September 2012, 17:51

1938 kaufte Hitlers Privatsekretär Martin Bormann das Geburtshaus des "Führers", 1952 wurde es im Rahmen eines Rückstellungsvergleichs den früheren Eigentümern zurückgegeben.

foto: epa/rubra

1938 kaufte Hitlers Privatsekretär Martin Bormann das Geburtshaus des „Führers“, 1952 wurde es im Rahmen eines Rückstellungsvergleichs den früheren Eigentümern zurückgegeben.


Hitlers Geburtshaus in Braunau steht leer. Über die weitere Nutzung verhandeln derzeit das Innenministerium und die Stadt. Doch im Braunauer Rathaus scheint die Entscheidung längst gefallen zu sein

Linz – Es ist ein freundliches, in gelb getünchtes Gebäude, zwei Stockwerke hoch. Nur ein paar Meter vom Stadtplatz entfernt. Salzburger Vorstadt 15 lautet die Adresse des denkmalgeschützten Gebäudes. Und es ist das Geburtshaus eines Mannes, der die Welt ins Verderben stürzte: Am 20. April 1889 erblickte hier Adolf Hitler das Licht der Welt.

An dem “ Erbe“ trägt die Stadt am Inn bis heute schwer. Doch jetzt scheint nach jahrzehntelanger Diskussion eine Lösung greifbar zu sein. Konkret verdichten sich die Hinweise, dass das Haus kein Ort des Gedenkens wird, sondern als normales Wohnobjekt genutzt werden soll.

Das Gebäude befindet sich derzeit in Privatbesitz, Hauptmieter ist seit frühen Kreisky-Zeiten das Innenministerium, Untermieter die Stadt Braunau. Lange Zeit war in dem geschichtlich belasteten Haus eine Tagesheimstätte der Lebenshilfe untergebracht, seit mehr als einem Jahr steht das Gebäude nun leer.

Projekt schubladisiert

Doch die Diskussion über die Nutzung des Hauses gibt es nicht erst seit dem Auszug der Behindertenwerkstatt. So präsentierte etwa der Historiker Andreas Maislinger, wissenschaftlicher Leiter der Braunauer Zeitgeschichte-Tage, bereits im Jahr 2000 ein Konzept für ein „Haus der Verantwortung“. Und kämpft seitdem unermüdlich, aber bislang ohne Erfolg für das Projekt.

Gespräche führten die politisch Verantwortlichen meist hinter verschlossen Türen, doch zur Zukunft des Hauses öffentlich positionieren wollte sich kaum einer. Aber jetzt scheint zumindest der Braunauer Bürgermeister Johannes Waidbacher (ÖVP) in die Offensive zu gehen.

Das Stadtoberhaupt „ist zwar offen für viele Ideen“, spricht sich aber im STANDARD-Gespräch erstmals klar gegen eine Gedenkstätte aus: „Man muss sich allgemein die Frage stellen, ob eine weitere Holocaust-Gedenkstätte einen Sinn ergibt, wenn es im Umkreis doch schon viele gibt. Und persönlich stelle ich mir schon auch die Frage, wofür ich Verantwortung übernehmen soll – ich bin zum Beispiel 21 Jahre nach Kriegsende auf die Welt gekommen. Und so geht es vielen Menschen in Braunau.“

Kein Verantwortungsgefühl

Man habe vonseiten der Stadtgemeinde schon „sehr, sehr viel“ an Geschichtsaufarbeitung geleistet. Man müsse daher „nicht zwingend“ in dem Haus etwas machen. Waidbacher: „Wir sind ohnehin stigmatisiert. Hitler hat die ersten drei Jahre seines Lebens bei uns in der Stadt verbracht. Und es war sicher nicht die prägendste Phase seines Lebens. Wir sind daher als Stadt Braunau nicht bereit, die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass der Zweite Weltkrieg ausgebrochen ist.“

Mit einer herkömmlichen Nutzung des Hitlerhauses hätte das Stadtoberhaupt kein Problem: „Wohnungen wären an dem Standort mit Sicherheit leichter umzusetzen.“

Im Innenministerium ist man, was die Zukunft der heiklen Immobilie betrifft, noch deutlich vorsichtiger: Man prüfe derzeit „verschiedene Nutzungskonzepte“ und sei, da es sich um ein „historisch belastetes Gebäude“ handle, besonders sensibilisiert und um eine rasche Lösung bemüht, heißt es auf STANDARD-Nachfrage. (Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 20.9.2012)

Zuletzt aktualisiert am 07.10.2012